Categories:

Dieter Mauch schickt uns das Bild eines Fensters. Schwierig, schwierig…
Wo ist das gute Stück zu finden? Henry Greif und Carla Gramberg wußten es: in der Johanneskirche in Villingen. Dieter hat uns eine grandiose Doku dazu, die wir gerne hier wiedergeben.

Das Johannesfenster

Das gotische Fenster im Chorabschluss der Villinger Johanneskirche blieb lange Zeit eine eher unbeachtete Randerscheinung. Anfangs des 18. Jahrhunderts wurde es bei der barocken Umgestaltung der Kirche zugemauert. Erst in den 1980er Jahren kam die Idee auf, das Chorfenster wieder herzustellen. Der Ältestenkreis der Gemeinde unternahm im Herbst 1982 Besichtigungsfahrten zu Kirchen mit Fenstern zeitgenössischer Künstler und beschloss, mit dem in Köln lebenden Glaskünstler Georg Meistermann in Verbindung zu treten. Sein Fensterzyklus „Die Erscheinungsweisen Gottes“ in der Evangelischen Kirche Bad Krozingen gab dafür wohl den Ausschlag. Bald darauf wurden die Entwürfe vom Künstler gestaltet, das Fenster im Herbst und Winter 1983/84 von der Glaswerkstätte Gossel in Schalkenmehren (Eifel) gefertigt und im Februar 1984 eingebaut. Der ausgezeichneten handwerklichen Arbeit Hans Gossels und seiner Werkstatt verdankt das Fenster auch einen Großteil der künstlerischen Ausnahmestellung, die es bis heute einnimmt. Man beachte nur die enorme Vielzahl der einzelnen Glaselemente, die ja alle von Bleistegen gefasst werden müssen, um ein stimmiges und künstlerisch ansprechendes Ganzes zu ergeben. Nach der Fertigstellung des Johannesfensters zog die Werkstatt ins hessische Lahntal-Caldern um, wo sie heute von Hans Gossels Nichte weitergeführt wird.

Noch heutzutage zeigt sich immer wieder, dass viele Besucher der Johanneskirche gar nicht wissen, dass es im Kirchenraum ein Abbild Johannes des Täufers gibt. Er ist ja auch beim flüchtigen Hinschauen nicht ohne weiteres zu erkennen, drängt sich nicht unmittelbar auf, möchte vielmehr entdeckt und erschlossen werden. Was sehen wir? Das Gesicht des Täufers, dem Licht zugewandt. Er trägt das Lamm, wir erkennen seine Füße, das eher grau gehaltene Fell, das seinen Körper einhüllt. Wenig Farbe, das Fell nur angedeutet, aber von bunten Glaselementen, einer leuchtenden Farbkaskade umgeben. So erscheint uns Johannes wild und sanft zugleich. Manche entdecken bei ihm einen Knopf im Ohr, stellen damit Bezüge zu unserer Lebenswelt her und sehen in ihm eine Art Punk – mit durchaus passender Frisur. Feuerflammen im linken und oberen Fensterbereich, von oben aus dem Licht, auch aus dem ganz wenigen Himmelblau austretend, sind dagegen schwerer zu erkennen, da völlig farblos, ebenso wie das Wasser, das sich auf der rechten Fensterseite ausbreitet. Reichlich Wasser – Jordanwasser, Taufwasser.  Zu Johannes‘ Füßen sich verbreiternd, Raum einnehmend. Das Wasser des Lebens. Ganz unten, als Basis des Fensters, die Erde, die das Ganze trägt.

Schön, dass wir hier im Städtle die Möglichkeit haben, Johannes auch an den von Klaus Ringwald gestalteten Münsterportalen zu bewundern. Dort wirkt er klar und entschlossen – der Täufer, der Handelnde, vom Wasser des Jordans umgeben. Der Heilige Geist fährt herab „wie eine Taube vom Himmel“, auch hier in meisterhafter künstlerischer Darstellung. Glückliches Villingen!

Mehrere biblische Bezüge drängen sich auf: 

Das Lamm – Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt (Joh. 1,29).

Das Licht – Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht (Joh. 1,8).

Das Wasser – Ich taufe mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker als ich, …der wird auch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen (Matth. 3,11).

Die Feuerflammen – Die „Gaben des Heiligen Geistes“ (Jes. 11,2;  1.Kor. 12, 8ff.; Offenbarung 2,3).

Georg Meistermann (1911 – 1990) schuf über 1000 Glasfenster an rund 250 Orten in Europa. 1959 war er Teilnehmer der II. documenta in Kassel.  Er hat Willy Brandt gemalt und als sein religiöses Testament und Krönung seiner Lebensarbeit die Neugestaltung von St. Gereon zu Köln in den Jahren 1979 bis 1986 bezeichnet. Die prachtvollen Fenster der beiden oberen Geschosse dort entstanden nach seinen Entwürfen. Auch die Evangelische Kirche in Bad Dürrheim verfügt über eine ganze Fensterwand hinter dem Altar, die Georg Meistermann gestaltet hat. 1994 wurde das Georg-Meistermann-Museum in Wittlich (NRW) gegründet, heute „Altes Rathaus – Städtische Galerie für moderne Kunst“. Meistermann stand dem NS-Regime kritisch gegenüber, er wurde mit Berufsverbot belegt. Mit dem Museum bewahrt die Stadt Wittlich heute das Vermächtnis Meistermanns als eines kritischen Künstlers und Intellektuellen, der besonders in Gegnerschaft zum Nationalsozialismus für eine humane Gesellschaft stritt.

Quellen:

  • Hans Kratzert: Das Täufer-Fenster von Georg Meistermann in der Evang. Johanneskirche Villingen.
  • Wikipedia.
Meistermannfenster in Bad Dürrheim

Georg Meistermann war selbst ein religiöser Mensch. Er überließ seine Fenstereinbauten
nie den Handwerkern alleine und legte selbst Hand an. Bei den Überlegungen sowohl in
Villingen als auch in Bad Dürrheim gab es von seiner Seite viele Einwände bei der vom
Pfarrer bzw. Ältestenrat gedachte Gestaltung. Er setzte sich aber durch und durfte sich
dann frei entfalten. So erzählte es mir Frau Jordan, die Frau des damaligen Pfarrers in
Bad Dürrheim. Er war mehrmals dann bei der Fertigung wirklich dabei und in Bad
Dürrheim gestaltete er nach der Fensterfront noch die Nischenfenster an der Seite des
Kirchenschiffs. Auch in Villingen war ein weiteres Fenster geplant, an der Südseite. Aber
dazu kam es nicht mehr.
Seine Frau Maria hatte bis zu ihrem Tod noch Kontakt mit Frau Jordan. Weitere Fenster
in unserer Region sind in der Kirche in Bad Krozingen zu sehen. Auch gibt es
zwischenzeitlich eine Filmversion zu seinen Werken.
Übrigens versuchen sich die Pfarrer, seitdem es dieses Fenster gibt, immer wieder am 15.
Juni in einer dem Bildinhalt entsprechenden Predigt. (Also bezogen auf das Fensterbild).
Text: Jutta Arendt

Tags:

2 Responses

  1. Das Meistermann-Fenster

    1980/81 gab´s eine neue Fußbodenheizung, eine neue Orgel, und der Chorraum wurde wieder in die Kirche integriert. Im Chorraum wurde das Fenster an der Stirnseite geöffnet und ein künstlerisch gestaltetes Glasfenster installiert. Dieses Fenster wurde von Georg Meistermann geschaffen und stellt Johannes den Täufer dar, den Namensgeber der Kirche. Man kann die Gestalt des Täufers erkennen; er trägt ein Lamm im Arm, ein Licht leuchtet ihm entgegen. Lamm und Licht deuten sinnbildlich auf Christus hin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert