Am Mittwoch, 27. Oktober 2021 hatten Frank Haas und Gerhard Echle eine Einladung von Dr. Christine Blessing vom Amt für Gebäudewirtschaft und Hochbau, um über die Sanierungsmaßnahmen der Stadtmauer und andere neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Stadtmauer informiert zu werden.
Sanierungsarbeiten an der Stadtmauer
Wir trafen uns morgens um 9 Uhr und Frau Blessing nahm sich für uns Zeit. Zusammen mit Herrn Costas von der Fa. Günter Bausanierung, die die Sanierungsarbeiten durchführt inspizierten wir die Arbeiten an der Stadtmauer im Bereich zwischen Kanzleigasse und Riettor.
Triforienfenster
Zuvor fällt beim Blick nach oben ein Triforienfenster auf, das offensichtlich transloziert wurde. Die Herkunft ist leider unbekannt. Es muss im Zusammenhang mit einem früher dort an der Stadtmauer sich befindlichen Gebäude gestanden haben. Dieses Gebäude ist auf Fotos aus dem Jahr 1910 noch ersichtlich. Hierzu gibt es im übrigen einen schönen Artikel aus der Geschichtsschreibung von Heinrich Hug: „Die alte Burg der Ritter v. Käfersberg am nordwestlichen Teil der Stadt ist schon lange nicht mehr vorhanden und kaum noch an den Fensteröffnungen der Stadtmauer zu erkennen“.
Beim genauen Blick fallen Schichtungen auf, die auf unterschiedliche Epochen im Bau hindeuten. So erkennt man z.B. Fischgrätmuster, oder waagerechte Schichtungen. Je nachdem, wer die Mauer baute und zu welchem Zeitpunkt deutet das auf die unterschiedlichen Philosophien zum damaligen Zeitpunkt hin und auch darauf, welche Arbeiter (auch Wanderarbeiter, die aus anderen Städten andere Erkenntnisse mitbrachten) evtl. beschäftigt waren. Hier ein Bild, auf dem man das recht gut erkennen kann (Das Bild ist beim Abt Gaisser Haus aufgenommen)
Verfüllung
Wir wissen von der, inzwischen abgetragenen, zweiten Ringmauer, dass sich dort zwischen erster und zweiter Mauer eine Fülle von ca. 5 bis 7 Meter Breite befand.
Die noch bestehende, innere Stadtmauer hat ebenso eine Verfüllung. Die Mauer ist nicht massiv zu 100% gemauert, sondern besteht aus Außen- und Innenmauer. Das Mauerwerk der Außen- und der Innenmauer ist jeweils ca. 30 cm dick. Zwischen Außen- und Innenmauer besteht eine Verfüllung, die an manchen Stellen sichtbar wird. Sobald die Verfugung weg ist, erkennt man die Verfüllung im Inneren. Bei einer Dicke der Stadtmauer von bis zu 1,5 metern beträgt die Dicke der Verfüllung also ca. 1 Meter. In dieser Verfüllung gibt es viele Hohlräume in denen sich z.B. große Zähne (von Tieren), Knochen, Holz, Mäusenester, Kompost finden.
Der heute an manchen Stellen sichtbare rötliche Putz rührt von Brigachsand her.
Herkunft der Steine
Die Steine wurden vom Steinbruch vom Hubenloch bei der Kalkofenstraße geholt. Oft jedoch kamen die Steine auch von außerhalb. So wurden Steine im Rahmen von Frondiensten hergebracht. Es sind z.B. Tuffsteine aus Ifflingen und Sandsteine aus St. Blasien in Villingen bekannt. Zur Herkunft der Steine gibt uns Jenisch auf S.73 gute Auskunft: „In der näheren Umgebung Villingens sind zahlreiche Rohstoffe, die im Mittelalter wirtschaftliche genutzt wurden, relativ leicht zu gewinnen…. Buntsandstein … und … Muschelkalk… Im Bereich der Schwenninger Stiege … befinden sich mittelalterlich genutze Steinbruchareale. “ Die Wände und die Eckquaderung wurden aus Kalkstein gebaut. Tür- und Fenstersturz aus rotem Bundsandstein. Bei Volkertsweiler findet sich noch ein ausgedehnter Steinbruch. In der roten Gasse weitere Steinbrüche. In den Kalkofen brannte man Mörtelkalk.
Auffälligkeiten
Wir erkennen an manchen Stellen Ziegelsteine. Diese sind nicht Teil der ursprünglichen Mauerarbeiten sondern wurden im Rahmen von Ausbesserungsarbeiten eingesetzt. Oft fällt eine mangelhafte Bauausführung auf.
Auch erkennen wir an manchen Stellen Einbuchtungen. Diese fallen nur bei genauem Hinsehen auf und dienten beim Mauerbau als Aufnahme der Holzbalken des Gerüsts.
Hier wurde das Gerüst in der Mauer fixiert Ebenso
Die Verfugung erfolgt mit Kalkmörtel (gegen Abblühungen) – die Fugen sind dadurch diffusionsoffen. Die Steine selbst werden mit Trasszementmörtel (eine Beimischung von vulkanischem Basaltgestein) zusammen gehalten.
Ablauf der Ausbesserungsarbeiten
Die Ausbesserungsarbeiten erfolgen in diesen Schritten:
1. die schadhaften Stellen werden in Handarbeit mit Spitzhacke oder Hilti herausgespitzt. Dadurch liegen die Steine offen. Problem ist natürlich, dass in diesem Stadium das gesamte Mauerwerk, welches frei liegt, herunterfallen kann. Stützmaßnahmen der einzelnen Steine sind erforderlich.
Stützmassnahmen Stützmassnahmen Stützmassnahmen Stützmassnahmen
1a) die Innere Verfüllung wird sichtbar. Jetzt erfolgt die sogenannte Verpressung: Trasszement wird mit ca. 4 bar Druck in die Verfüllung nach innen gepresst, damit die Mauer von innen her Stützung erhält.
2. Schadhafte Steine werden ersetzt, evtl. neue Steine eingesetzt. Dabei erklärt Herr Costas, dass die Sandsteine mit einem Hammer auf etwa 1 cm genau behauen werden können.
Mit dem Hammer werden Steine behauen Ein paar gezielte Schläge und der Stein bricht genau an der gewünschten Linie Präzisionsarbeit am Bau!
Wir haben es also mit einer erstaunlichen Präzision zu tun. Die Steine, die eingesetzt werden, werden dazu „mit dem Gesicht nach außen“ in die Mauer eingesetzt.
Herr Costas lud ein, sich im Detail anzusehen, wie ein Loch mit Steinen und Mörtel ausgebessert wird.
Hier sehen wir ein typisches Loch in der Mauer. Steine fehlen. Die innere Verfüllung ist sichtbar. Hier muss ausgebessert werden.
Ein Loch in der Mauer – hier fehlen Steine. Die innere Verfüllung ist sichtbar. Ausbesserung ist erforderlich. Mit diesen feinen Geräten wird gearbeitet Trass-Zement Mörtel rein. Herr Costas sucht DEN passenden Stein und behaut diesen. Zentimetergenau! Einsetzen – mit dem „Gesicht“ nach außen Und auf ein Neues! Jeder Stein ist Präzisionsabeit So sieht es dann aus, wenn alle Steine drin sind.
3. Mit einem Strahlgerät (eigentlich wird Glas dazu verwendet) wird der Trasszement zwischen die Steine aufgetragen.
4. Mit einem Sandstrahlgerät wird dann die Außenseite „schön“ gemacht.
vorher nachher…
Heute, am 24.11. war nun Verfüllen der Fugen mit dem Strahlgerät angesagt. Direkt oben sieht man, wie der Mörtel zwischen den Fugen ist. Nun kommt der „Trasszement“ dazu, der auf den Mörtel aufgetragen wird. Es sind 4° Außentemperatur und ich bin oben auf dem Gerüst bei Alvaro Costas.
Es ist laut und es ist schmutzig und staubig. Alvaro muss nun das Verhältnis zwischen Wasser und Zement einstellen. Was auch wirklich erstaunlich ist dass es wenig Feuchtigkeit gibt – das meiste bleibt tatsächlich in der Wand stecken. Nur mit dem Schutzanzug ist das ganze machbar, denn sonst sähe man nach kürzester Zeit recht dunkel aus. Dieses kleine Stück was er jetzt macht, es ist ca . 1 m² dauert etwa viertel Stunde bis das ganze mit Trass Zement verfüllt ist – also relativ lange. Und bei einer Außentemperatur von etwa 4° ist das ganze wirklich keine angenehme Arbeit. Man kann mit dem Strahlgerät sogar relativ genau verfüllen – etwa auf eine Fläche von 5 × 5 cm genau. Nach dem Verfüllen mit dem Strahlgerät werden die Steine in Handarbeit mit der kleinen Kelle außen sauber gemacht – damit man nachher im nächsten Arbeitsgang, dem Sandstrahlen nicht so viel Sandstrahlmaterial braucht.
Alvaro Costas im Strahlanzug die Pistole die Stelle, die zu bearbeiten ist die Verfugte Stelle und hier in Handarbeit mit der Kelle das Grobe weg
Zum Schluss noch Sandstrahlen
Damit die Mauer aussen auch noch schön aussieht, wird zum Schluß noch die Oberfläche schön mit dem Sandstralgerät abgestrahlt (eigentlich ist es kein Sandstrahlgerät, sondern es wird eine Mischung aus Sand und Glas verwandt. Körnung bis 1 mm !)
die Stadtmauer im Mittelalter
Was wir unbedingt bedenken müssen ist, dass das heutige Aussehen der Stadtmauer, unverputzt, mit rohem Stein im Mittelalter als absolutes Armutszeugnis des Stadtherren gewertet worden wäre. Im Mittelalter wurde die Stadtmauer verputzt und weiß gekalkt. Welch ein grandiose Anblick muss die Stadt gewesen sein, wenn man sich der weißen Stadt näherte!
Die Stadtmauer um ca. 1910 am Keferbergle
Auf dem Kataster von 1897 erkennt man das Wohnhaus Riesle vor der Mauer
Neue Erkenntnisse der Bastion bei St. Ursula
Es war nicht sicher geklärt, ob die Bastion beim Kloster St. Ursula leer oder verfüllt ist. Durch eine Grabung ergab sich, dass die Bastion mit allerlei Materialein verfüllt wurde. Diese Verfüllung erfolgte jedoch erst im 19. Jh! Nicht früher. Wir haben Scherben eines Kachelofens, Nägel, etc. hier gesehen. Eine weitere Erkundung wäre sicherlich hochgradig spannend.
Scherbe eines Kachelofens Nagel Tierknochen Wappen auf der Scherbe des Kachelofens. Wir erkennen als Wappen 4 Adler die Rückseite der Scherbe zeigt oben/mittig den Abdruck eines Fingers vom Eindrücken der Scherbe
Keller Romäusgymnasium
Der Keller des Romäusgymnasiums läßt die Fundamente des Bügeleisens aus em 17. Jh. erkennen.
4 Responses
weiß von Euch jemand etwas über Bärbel Brüderle? Sie schreibt hier nicht mehr und wenn ich abends bei ihr vorbei fahre, ist das Haus immer dunkel … Ihr hätte dieser Artikel hier ganz bestimmt sehr gut gefallen!
Vielen herzlichen Dank, das war sehr aufschlussreich. Ich freue mich auf jeden Beitrag.
Ja Donnerwetter,
da habt Ihr Euch richtig viel Mühe gemacht.
Herzlichen Dank für diesen ausführlichen und lehrreichen Artikel.
sehr interessant! Herzlichen Dank, meine Güte, war das eine Arbeit, das alles zusammen zu schreiben…